Die Geschichte wiederholt sich – und zwar nicht nur politisch, sondern ebenso wirtschaftlich. Um die zukünftige Entwicklungen der Weltmächte besser abschätzen zu können, lohnt es sich, auf die Lehren vergangener Zeiten zurückzugreifen.
Unternehmer wie Ray Dalio zeigen, dass sich wirtschaftliche Zyklen anhand historischer Ereignisse nachvollziehen lassen. Er liefert einen interessanten Ansatzpunkt, mit dem man den heutigen Wettstreit um die globale Vorherrschaft, wie der zwischen China und den USA, in einen breiteren historischen Kontext stellen kann. Zwar ist die Realität weitaus komplexer, aber es lassen sich dennoch Parallelen finden, die sich durch die Dynamiken der letzten Jahrzehnte ziehen.
Die Voraussetzungen für den Aufstieg zu einer Weltmacht
Damit ein Staat zur Weltmacht wird, müssen mehrere Faktoren ineinandergreifen: Zuallererst muss eine Nation im globalen Handel verankert sein und eine eigenständige, wettbewerbsfähige Wirtschaft vorweisen. Dies gelingt nicht nur durch den Ausbau von Bildung und Innovation, sondern basierte in der Vergangenheit auch häufig auf der Ausbeutung von Ressourcen und kolonialen Aktivitäten. Dabei spielen oft militärische Neuerungen, wie die Entwicklung fortschrittlicher Schiffstechnologien, eine zentrale Rolle.
Neben wirtschaftlicher Stärke spielt auch das Militär eine entscheidende Rolle. Eine durchsetzungsfähige Armee sichert nicht nur die Handelswege und den Einfluss, sondern dient auch der Abschreckung gegenüber potenzieller Konkurrenz.
Zusätzlich ist ein stabiler Finanzmarkt mit einer starken Währung notwendig, um das Vertrauen aus dem Ausland zu fördern und wirtschaftliches Wachstum weiter voranzutreiben. Der endgültige Schritt zur globalen Vorherrschaft ist erreicht, wenn die Währung des Landes zur internationalen Leitwährung wird, was dem Staat langfristig wirtschaftliche Vorteile verschafft.
Der beginnende Abstieg einer Weltmacht
Sobald eine Nation den Höhepunkt ihrer Macht erreicht hat, beginnen meist auch die ersten Anzeichen des Niedergangs. Die Kosten für Verwaltung, Verteidigung und Machterhalt steigen stetig, während die wirtschaftliche Kraft sinkt. Steigende Löhne und verbesserte Lebensstandards führen zu höheren Produktionskosten und einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig verstärkt sich die soziale Ungleichheit, was innere Spannungen hervorruft.
Um den Wohlstand zu erhalten, greifen Staaten häufig auf Kredite zurück, insbesondere von wirtschaftlich aufstrebenden Ländern. Das Land verschuldet sich, während der Machterhalt immer höhere Ausgaben für das Militär oder die Verwaltung erfordert und die finanzielle Belastung weiter erhöht.
Schließlich beginnt das Vertrauen in die Währung der Weltmacht zu schwinden: Investoren verkaufen ihre Anteile und der Schuldenberg wird größer. Um einer Finanzkrise entgegenzuwirken, wird dann oft mehr Geld gedruckt, was zu Inflation und Währungsabwertung führt. Das wirkt sich auch auf die Gesellschaft aus: Die Kaufkraft sinkt, soziale Unruhen nehmen zu und politische Radikalisierung setzt ein.
Diese angespannte Situation nutzen aufstrebende Mächte als Chance, um an Einfluss zu gewinnen und mit wirtschaftlichen Vorteilen zu punkten. Historisch betrachtet dauern solche Übergangsphasen in der Regel 10 bis 20 Jahre und sind von intensiven militärischen und politischen Auseinandersetzungen geprägt. Am Ende dieser Entwicklung steht der Machtwechsel und der Zyklus mit einer neuen Weltordnung beginnt ein weiteres Mal.
Historische Beispiele für den Kreislauf einer Weltmacht
Das Phänomen ist in der Vergangenheit öfter zu beobachten gewesen: Beispielsweise im 17. Jahrhundert etablierten sich die Niederlande als führende Handels- und Finanzmacht. Mit einer starken Flotte sicherten sie ihre globalen Handelsrouten und errichteten Kolonien, um wirtschaftlichen Wohlstand zu fördern. Doch der zunehmende Wettbewerb mit Großbritannien und anderen europäischen Mächten führte zu langwierigen und kostspieligen Konflikten. Besonders der Vierte Englisch-Niederländische Krieg (1780–1784) belastete die Wirtschaft massiv. Die daraus resultierende Schuldenkrise führte zu einem Vertrauensverlust in das Finanzsystem, die Amsterdamer Bank erlitt einen Bankansturm, und die Währung wurde stark abgewertet. Der Niedergang war nicht mehr zu stoppen.
Das britische Imperium erlebte seinen Höhepunkt im 19. Jahrhundert in ähnlicher Weise, als es durch industrielle Innovationen und weitreichende Kolonialherrschaft wirtschaftliche Dominanz erreichte. Doch der Aufstieg konkurrierender Mächte, insbesondere Deutschlands, führte zu einem kostspieligen Wettrüsten, das schließlich im Ersten und Zweiten Weltkrieg eskalierte. Nach den Weltkriegen war Großbritannien finanziell geschwächt und hoch verschuldet. Um die Wirtschaft zu stabilisieren, wurden massive Mengen an Geld gedruckt, was zu einer Abwertung des britischen Pfunds führte. In dieser Zeit konnte die USA viele Kredite übernehmen und profitierte von den Weltkriegen. Der US-Dollar etablierte sich als Leitwährung und die USA gewann die globale Vorherrschaft, während Großbritannien zunehmend an Bedeutung verlor.
USA: Die aktuelle Weltmacht im Wandel?
Durch wirtschaftlichen Aufschwung, technologische Innovationen und ein mächtiges Militär konnten die Vereinigten Staaten ihre globale Dominanz festigen und etablierten sich über Jahrzehnte hinweg als führende Weltmacht. Die Machterhaltung war jedoch keineswegs frei von Krisen und internen Konflikten. Historisch gesehen erlebten die USA wiederholt Aufschwünge, gefolgt von tiefgreifenden Zusammenbrüchen, in denen immer wieder Schuldenkrisen und finanzielle Instabilitäten die nationale Wirtschaft erschütterten. In diesen Phasen musste die Zentralbank massiv intervenieren, um einen totalen wirtschaftlichen Kollaps abzuwenden.
Ebenfalls standen sich nach dem Zweiten Weltkrieg die USA und die Sowjetunion für die Neuordnung der Weltpolitik gegenüber. Die beiden Großmächte lieferten sich im Kalten Krieg ein intensives Kräftemessen, das erst mit dem Zusammenbruch der sowjetischen Herrschaft um 1991 einer möglichen Eskalation entging. Trotz dieser internen und externen Herausforderungen und einer größer werdenden Verschuldung konnten die USA ihre Stellung als zentrale Großmacht bislang behaupten.
Der Aufstieg Chinas
Parallel zu den USA hat sich China zu einem ernstzunehmenden globalen Akteur entwickelt. Bereits in den 1980er Jahren begannen die Vereinigten Staaten, sich bei China zu verschulden, während Letzteres große Mengen an US-Dollar anhäufte. Durch eine kostengünstige Produktion und einen starken Exportsektor konnte sich China rasch im internationalen Handel etablieren – und in vielen Bereichen die USA sogar überholen. Unter der Führung von Präsident Xi Jinping, der seine Machtambitionen nicht versteckt, wächst der Einfluss Chinas kontinuierlich.

Der Konkurrenzkampf von USA und China – und was macht Russland?
Der Aufstieg Chinas geschieht jedoch nicht ohne Spannungen: Die zunehmende Rivalität zu den USA manifestiert sich in unterschiedlichen Bereichen wie Militär, Wirtschaft, Technologie sowie politisch-kulturell. Manche Beobachter sprechen sogar von einem „neuen Kalten Krieg“, obwohl die Staats- und Regierungschefs eine solche Terminologie abweisen. Außenpolitische Maßnahmen, wie etwa Trumps andauernder Zollkrieg, Chinas ambitionierte „Neue Seidenstraße“ und die verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Staaten wie Russland, unterstreichen jedoch die zunehmende Spannungsintensität.

Vergleicht man die Militärausgaben der Großmächte in Relation zu ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP), liegt Russland mit 5,42 % an der Spitze. Die USA folgen mit 3,30 % auf dem zweiten Platz. Deutlich dahinter rangieren Europa mit 1,72 % und China mit 1,67 %, die trotz ihrer wirtschaftlichen Stärke einen geringeren Anteil ihres BIP in das Militär investieren. Schlussfolgernd ist die NATO das mit Abstand stärkste Verteidigungsbündnis. Nur sind Bündnisse fragiler als einzelne Nationen…
Bevor man jedoch von einem möglichen Wirtschaftskrieg ausgeht, müssen weitere Faktoren beachtet werden: Die beiden Großmächte sind trotz ihrer Feindseligkeit in vielen Punkten aufeinander angewiesen. So hält China einen erheblichen Anteil an US-Staatsanleihen, während gleichzeitig der chinesische Exportmarkt stark auf den US-Verbraucher angewiesen ist. Darüber hinaus verflechten sich die Lieferketten im Bereich Spitzentechnologie eng miteinander. Auch andere Großmächte wie Europa, Indien und Russland spielen eine wesentliche Rolle in der internationalen Ordnung und tragen dazu bei, dass die Konfrontation zwischen den USA und China nicht isoliert verläuft, sondern in ein komplexes System eingebettet ist.
Europa als Gegenmacht?
Auch Europa und damit Deutschland sind also von diesem geopolitischen Machtkampf betroffen. Weder China noch die USA haben Interesse daran, sich an die Seite Europas zu stellen und verfolgen stattdessen ihre eigenen wirtschaftlichen, politischen und strategischen Ziele. Daher wird es für Europa immer wichtiger, seine ökonomischen, militärischen und politischen Abhängigkeiten von den beiden Großmächten zu verringern. Ein stärkeres, geeintes und unabhängiges Europa könnte langfristig eine stabilisierende Rolle einnehmen und als eigenständige Macht in der Weltordnung agieren.
Fazit
Die Frage, ob die USA ihren derzeitigen Status als Weltmacht weiterhin behaupten können oder ob China den Aufstieg zur neuen dominierenden Kraft vollziehen wird, bleibt offen. Während die Vereinigten Staaten trotz interner Krisen und wirtschaftlicher Herausforderungen ihre Führungsrolle bislang verteidigt haben, nutzt China die Schwächen seines Rivalen, um seinen globalen Einfluss auszubauen. Doch anstelle eines klaren Machtwechsels könnte sich auch eine multipolare Weltordnung entwickeln, in der mehrere Großmächte die globale Führung teilen.
Die Geschichte zeigt, dass der Aufstieg und Fall von Weltmächten selten abrupt erfolgt, sondern vielmehr das Ergebnis schrittweiser Verschiebungen und komplexer Wechselwirkungen ist. Letztlich wird erst die Zukunft offenbaren, ob China die USA als führende Weltmacht ablösen wird oder ob sich ein neues Gleichgewicht zwischen mehreren Akteuren herausbildet.

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