Durch die EZB sind Banken gezwungen, Strafzinsen an die Kunden weiter zu geben? Zahlen und Experten sagen etwas ganz Anderes.
Das Wichtigste im Überblick
- UPDATE: Nachdem die EZB die Zinsen das erste Mal seit vielen Jahren erhöht hat, schaffen praktisch alle Banken das Verwahrentgelt bzw. die Negativzinsen wieder ab!
- Die Banken brauchen die Negativzinsen nicht, um zu überleben.
- Tatsächlich verdienen sie gutes Geld durch das Verwahrentgelt.
- Sie zahlen deutlich weniger Zinsen an die EZB als behauptet wird.
- Kunden können sich gegen diese Methoden wehren.
- Positive Zinsen gibt es endlich wieder auf Tagesgeld und Festgeld, wenn Sie Ihr Geld gewinnbringend anlegen wollen. Selbst Festgeld mit kurzer Laufzeit kann sich aktuell lohnen.
Die Rechtfertigung für die Negativzinsen
Seit im Jahr 2014 die Europäische Zentralbank (EZB) einen Negativzins auf die Einlagen von Banken bei der EZB eingeführt hat und noch im selben Jahr die Skatbank diese Negativzinsen an Kunden mit hohen Geldeinlagen weitergegeben hat, hören wir immer wieder dieselben Argumente von den Vorständen und Pressesprechern um den Strafzins zu rechtfertigen. Und das geht in etwa so:
Geld von Kunden bei der EZB zu lagern wird für die Banken durch den Negativzins, der mittlerweile bei 0,5% steht, immer teurer. Girokonten lohnen sich also für die Banken eigentlich gar nicht mehr, sparende Kunden kosten sogar Geld – also müssen die Zinsen an die Kunden weitergegeben werden, sonst können die Banken nicht überleben.
Sehr ähnliche Argumente hört man bei der Rechtfertigung von Filialschließungen und den seit Jahren steigenden Preisen für Girokonten. Für den Strafzins wird von den Banken übrigens lieber der Begriff „Verwahrentgelt“ verwendet.
Aber stimmt das eigentlich? Man möchte ja nicht paranoid wirken, aber sind Banken dafür bekannt, ihre Geschäfte und Motivationen immer transparent offenzulegen? Und wie passt das Ganze mit den jährlich steigenden Bilanzsummen vieler Banken zusammen? Wir haben uns auf Spurensuche begeben.
- Degussa Bank (5000)
- Raiffeisenbank Augsburger Land West (5000)
- Volksbank Bochum-Witten (5000)
- Volksbank Bühl (5000)
- European Bank for Financial Services (1000)
Konten werden schon lange teurer – Kontoführungsgebühren
Dass es für Kunden teurer wird, Geld bei der Bank zu lagern, hat nicht erst mit den Negativzinsen angefangen. Bereits 2016 entschied sich die Postbank als eine der ersten Privatbanken, das kostenlose Girokonto komplett abzuschaffen.
Und im Gegensatz zu Negativzinsen gibt es hier natürlich keinen Freibetrag – etwa 50.000 Euro, wie aktuell noch bei vielen Banken – ab dem man zahlt. Effektiv sind Gebühren für die Kontoführung, also Negativzinsen, ab dem ersten Cent, die besonders Kleinsparer betreffen.
Die Postbank hat damit einen Trend losgetreten, der bis heute anhält. Laut Tagesschau gibt es heute nur noch 14 Angebote kostenloser Girokonten. Dabei muss es nicht unbedingt direkt um Kontoführungsgebühren gehen, oft werden die Kosten durch verschiedene Methoden ein wenig versteckt:
- Jahresgebühren für Giro- oder Kreditkarte
- Kosten für Überweisungen
- Kosten für die Bargeldeinzahlung
So können einige Banken nach wie vor damit werben, dass das Girokonto keine Grundgebühr kostet, obwohl dieses effektiv in anderer Form sehr wohl kostenpflichtig ist.
Der Negativzins als Rettung der Banken
„Die Europäische Zentralbank lässt uns keine Wahl, als Negativzinsen zu erheben, und es sieht alles danach aus, als würde sie ihre lockere Geldpolitik auch in Zukunft fortführen“ sagt Tilo Hacke, Vorstand der DKB.
Das hört sich zunächst ganz plausibel an und ist wie gesagt das Argument, das wir seit Jahren immer wieder hören. Fragt man allerdings mal jemanden, der nicht bei einer Bank arbeitet, hört sich das ganz anders an.
Schon 2015 sagte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale:
„Negative EZB-Zinsen an Verbraucher weiterzugeben, ist aus ökonomischer Sicht völlig unsinnig. Banken sind vom Einlagezins der Europäischen Zentralbank nur indirekt betroffen. Wie stark, darüber entscheidet ihr Geschäftsmodell. Mit Konsumenten- und Unternehmenskrediten lässt sich durchaus auch weiterhin Geld verdienen.“
Während die Vorstände zudem immer wieder vermitteln, wie groß das Leid der Banken ist, sprechen trockene Zahlen eine ganz andere Sprache. Etwa bezüglich der Bilanz von Volks- und Raiffeisenbanken.
„Ohne Negativzinsen geht es nicht mehr“, sagt Gregor Mersmann, Firmenkundenvorstand der Dortmunder Volksbank. Gleichzeitig kann man sich das hier auf der Website des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken ansehen.
Quelle: Bundesverband der Dtn. Volksbanken und Raiffeisenbanken
Ein weiteres gutes Beispiel ist die Kreissparkasse Augsburg, die bereits ab 25.000 Euro – die meisten Sparkassen geben noch einen Freibetrag von 50.000 oder 100.000 Euro – Negativzinsen verlangt. Man würde denken, dass es diese Sparkasse also besonders nötig hat. Die Bilanzen der letzten Jahre sagen aber etwas anderes:
- 2018: 3,6 Milliarden Euro
- 2019: 3,7 Milliarden Euro
- 2020: 3,9 Milliarden Euro
Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt: „Die meisten Banken verdienen nicht schlecht mit den neuen Verwahrentgelten. Ihre Erträge aus den Negativzinsen sind meist viel höher als die an die EZB gezahlten Negativzinsen. An dem Narrativ der Banken, man könne nicht anders wegen der Zinspolitik, ist meist nichts dran. Es wird gern vorgeschoben, um Akzeptanz für Preiserhöhungen zu schaffen.“
Eine Beispielrechnung zeigt, wie unhaltbar die Behauptung ist, die Negativzinsen der EZB zwängen die Banken zur Einführung der Strafzinsen. Wichtig zu wissen ist dabei, dass Banken einen Freibetrag bei der EZB haben, bis zu dem sie keine Zinsen zahlen, der der sechsfachen Mindestreserve der Bank entspricht. Die Mindestreserve entspricht einem Prozent der täglich verfügbaren Kundeneinlagen der jeweiligen Bank. Bei 10 Milliarden Euro an Kundeneinlagen also zum Beispiel 100 Millionen Euro.
- Bei Bank A haben Kunden 10 Milliarden Euro auf Giro- und Tagesgeldkonten angelegt.
- Eine Milliarde davon hinterlegt die Bank bei der EZB.
- Auf 600 Millionen davon muss die Bank keine Strafzinsen zahlen, da der Betrag der sechsfachen Mindestreserve der Bank entspricht.
- Die Bank verlangt also nur auf 400 Millionen Euro Zinsen in Höhe von 0,5% im Jahr: also zwei Millionen Euro.
- Rechnet man dies auf die 10 Milliarden an Kundengeldern, kommt man auf einen Zinssatz von 0,02%, den die Bank an die europäische Zentralbank abgeben muss.
- Dagegen BEKOMMT die Bank (ohne Freibeträge) von den Kunden die gesamten 0,5% Verwahrentgelt im Jahr. Das sind 50 Millionen Euro bzw. 48 Millionen nach Abzug der EZB Zinsen.
Die finanzielle Belastung durch die Negativzinsen der EZB für die Banken ist also bei weitem nicht so dramatisch, wie es oft dargestellt wird.
Die Banken kommen nicht mit allem durch
Zum Glück gibt es Institutionen wie den Verbraucherschutz. Denn immer wieder bekamen die Banken in den letzten Jahren Gegenwind für ihre Methoden.
Mit am wichtigsten war vermutlich die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, dass Gebührenerhöhungen nicht ohne explizite Zustimmung des Kunden durchgesetzt werden dürfen – hier können jetzt sogar Gebühren rückwirkend bis 2018 zurückgefordert werden. Mehr dazu, wie Sie das machen können, finden Sie übrigens in unserem Artikel zu den Gebührenerhöhungen der Sparkasse.
Und wieder leiden die Banken und wissen nicht, was sie tun sollen.
Laut Stuttgarter Zeitung droht die Sparda-Bank Baden-Württemberg Kunden sogar damit, deren Monatsentgelt für ihr Girokonto zu erhöhen, sollten sie die fälschlicherweise gezahlten Gebühren zurückfordern. Der Verbraucherschutz denkt hier bereits über rechtliche Schritte nach.
Aktuell wird außerdem noch darüber gestritten, ob Negativzinsen auch auf das Tagesgeldkonto – das explizit für das Sparen von Geld angelegt ist – rechtens sind. Wie auch bei den anderen beschriebenen Entwicklungen haben viele Banken die Gebühren einfach vor einer rechtlichen Abklärung umgesetzt. So etwa diverse Volksbanken und Sparkassen.
Was können Verbraucher tun?
Abschließend muss man sagen: Das ist alles ziemlich ärgerlich, keine Frage. Allerdings können sich Verbraucher auch wehren. Einerseits durch Widersprüche und die beschriebene Rückforderung von Gebühren. Andererseits durch die Macht, die Sie als Verbraucher haben.
Denn tatsächlich schrumpft die Abhängigkeit des Kunden von den Banken. Sein Geld kann man auch an anderen Orten parken, wo es nicht von Negativzinsen betroffen ist oder sich sogar vermehrt. Bei Online Zahlungsdienstleistern, in Aktien, in Kryptowährungen. Oder Sie wechseln zu einer anderen Bank, die noch keine Negativzinsen verlangt bzw. einen hohen Freibetrag hat.
Das sind zum Beispiel die Consorsbank oder die DKB.
Wir haben noch mehr Informationen dazu in unserem Artikel „Wie Sie Strafzinsen umgehen“ zusammengetragen.
Strafzinsen: Was ist passiert?
- 2014 führt die EZB Negativzinsen (Also Minuszinsen – das Geld wird weniger) auf Geld ein, das Banken hier hinterlegen
- es wird dementsprechend für Banken teurer, umso mehr Geld Kunden auf ihren Giro- und Tagesgeldkonten lagern
- die Banken entschließen sich, die Negativzinsen an die Kunden weiterzugeben
- die Freigrenzen, bis Privatkunden von Negativzinsen betroffen sind, befinden sich im Sturzflug
- die Banken behaupten, sie könnten die Negativzinsen der EZB alleine nicht bezahlen
- seit einiger Zeit tauchen immer mehr Informationen auf, die Rechtfertigungen der Banken für die Negativzinsen fragwürdig machen
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4 Antworten
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Na dann sollte man angeben wann der Artikel zuletzt aktualisiert wurde.
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