Überall liest man gerade davon: Bankgeheimnis abgeschafft in Deutschland! Aber was steckt dahinter?
Die wichtigsten Fakten im Überblick
➔ Finanzbehörden erhalten deutlich leichter Zugang zu privaten Kontodaten
➔ Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Kreditinstitut nicht mehr gesetzlich verankert
➔ Abfrage von Privaten Bankdaten stieg bereits im letzten Jahr um 83%
➔ Änderungen sollen vor allem bei der Verfolgung von Steuersündern helfen
➔ Überprüfung von Privatpersonen soll „absolute Ausnahme“ bleiben
➔ Alle Daten dürfen ohne Erlaubnis durch Kontoinhaber für Steuererhebung mit genutzt werden
Was ist da passiert? Bankgeheimnis abgeschafft, lauten die Überschriften – Wir haben die wichtigsten Informationen zusammengetragen.
Paragraf 30a der Abgabenordnung war sozusagen die Essenz des Bankgeheimnisses in Deutschland und regelte den Schutz des Bankkunden vor ungewollten Zugriffen auf seine Bankdaten von Seiten der Finanzbehörden. Im Rahmen des sogenannten „Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz“, welches in erster Linie gegen die Nutzung von Steueroasen im Ausland vorgehen soll, wurde dieser Paragraf nun gestrichen – die Regelung trat am 25. Juni 2017 von der Öffentlichkeit fast unbemerkt in Kraft.
Der abgeschaffte Paragraf, der gewissermaßen die gesetzliche Grundlage des Bankgeheimnis Deutschland war, lautete: „Bei der Ermittlung des Sachverhalts haben die Finanzbehörden auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besonders Rücksicht zu nehmen.“
Bankgeheimnis abgeschafft: Trend zur ständigen Kontrolle
Der MDR schreibt: „Die Behörden fragen immer häufiger Kontodaten von Privatpersonen ab. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Abfragen um 83 Prozent und es dürften künftig wohl noch mehr werden.“ Auf der einen Seite will die Regierung offensichtlich bei sogenannten Steuerflüchtlingen härter durchgreifen, da diese den Staat effektiv Milliarden kosten – hier kann man also durchaus sagen, dass das Bankgeheimnis Deutschland nicht zu Gute kommt – aber auch Privatpersonen scheinen vor der Durchleuchtung durch Behörden zunehmende weniger sicher zu sein.
Erste Schritte zur Aufweichung des Bankgeheimnisses gab es übrigens bereits 2005. Auch hier ging es um die Einsicht des Staates in private Konten. Dieser Schritt wurde damals ebenfalls mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Terrorismus begründet – damals wurde allerdings auch versprochen, dass die Überprüfung von Bankdaten eine absolute Ausnahme bleibt. Tatsächlich war es wohl nur eine frühe Entwicklung dahin, dass in Deutschland das Bankgeheimnis abgeschafft wird.
Die Abschaffung des Paragrafen wurde in der Politik überraschend wenig diskutiert und selbst die Finanzwelt äußerte sich nicht groß zu den neuen Regelungen. Eine Ausnahme bildete Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, der schon auf die Bundestagsentscheidung im April mit Kritik reagierte: „Die Steuerbehörden dürfen künftig nach Gutdünken uneingeschränkt Kundendaten durchforsten (…) Das ist ein weiterer Schritt hin zum gläsernen Bürger.“
Bankgeheimnis Deutschland: Was dürfen die Finanzbehörden?
➔ Dadurch, dass das Bankgeheimnis abgeschafft wurde – es war übrigens fast 400 Jahre alt –müssen die Behörden in Zukunft keinerlei Rücksicht mehr auf das oben benannte Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde nehmen.
➔ Zudem dürfen die Kunden einfach übergangen werden, Finanzbehörden müssen nicht mehr zunächst Auskünfte beim Steuerpflichtigen anfragen, sondern können sich direkt an die Bank wenden.
➔ Ganz allgemein können Bankkonten nun ohne großen rechtlichen Aufwand überwacht werden.
➔ Außerdem dürfen die Behörden nun auch alle Kontodaten, die sie im Zusammenhang mit Identitätsprüfungen von Bürgern sammeln, für die Steuererhebung mitverwenden. Bisher konnten -außer es bestand Verdacht auf illegale Aktivitäten – nur die Daten verwendet werden, die der Steuerzahler bei der Steuererklärung mit einsendet.
Sollte es dann tatsächlich auch irgendwann zur kompletten Abschaffung von Bargeld kommen, wären, zusammen damit, dass das Bankgeheimnis abgeschafft wurde, die Finanzen eines jeden Bürgers komplett einsehbar.
Bankgeheimnis Ausnahmen
Auch bisher gab es im Bankgeheimnis Ausnahmen, diese waren allerdings um einiges beschränkter. Nur durch spezialrechtliche, höherstehende Regelungen, war die Durchbrechung des Bankgeheimnisses möglich. Man kann also kaum davon sprechen, dass es wirklich im Bankgeheimnis Ausnahmen gab. Ein Beispiel wäre etwa, wenn im Laufe eines Strafprozesses Bankdaten von Bedeutung sind.
Die andere Seite der Medaille
Bevor man hier allerdings ausschließlich den Kontrollzwang des Staates und die Unterdrückung der Bürger vermutet, sollte man auch Bedenken, wie interessant die finanziellen Daten eines Normalbürgers für den Staat sind. Die Antwort ist ziemlich sicher: Nicht besonders interessant.
Man kann also durchaus die Vermutung anstellen, dass es tatsächlich die Großverdiener und Steuerhinterzieher unter diesen sind, die hier im Visier des Staates stehen und man könnte ebenfalls behaupten, dass das Bankgeheimnis vor allem dieser Gruppe der Bevölkerung gedient hat, um fragwürdige Geschäfte und Methoden zu verschleiern. Der Ansatz hier wäre also, dass das Bankgeheimnis Deutschland eigentlich schadet.
Aus dieser Perspektive – wenn eben auch die finanziellen Vorgänge bei Großkonzernen etc. besser kontrolliert werden können – kann man eben auch von mehr Transparenz sprechen, die einer demokratischen Gesellschaft zu Gute kommt.
Trotzdem ist offensichtlich, dass die jetzt bestehenden Überprüfungsmöglichkeiten dem Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung völlig widersprechen, was es wiederum unverständlicher macht, dass die Opposition – vor allem Linke und Grüne – hier nicht stärker gegengesteuert hat.
Bankgeheimnis Schweiz
Ein naherliegender Vergleich ist natürlich das fast berüchtigte Bankgeheimnis Schweiz, welches der EU – zusammen aber auch mit den Regelungen in Belgien, Österreich etc. – ein Dorn im Auge war, da die eigenen Bürger über diese Länder eben immer wieder Steuergelder am deutschen Staat vorbeischleusten.
Tatsächlich ist aber auch diese Lücke bereits von der EU geschlossen worden. 2015 wurde beschlossen, dass ab 2018 alle Kontodaten unter den Staaten einander mittgeteilt werden, darunter auch Namen, Adressen und Informationen zum Kontostand.
Auf lange Sicht scheint es also, als würde es in der gesamten EU bald nichts mehr geben, was einem Bankgeheimnis gleichkommt.
Fazit Bankgeheimnis abgeschafft
Völlig egal, welche Perspektive man hier einnehmen möchte: außer Frage steht, dass hier im Vorfeld nicht genug informiert wurde. Es handelt sich um eine weitreichende Gesetzesänderung, die praktische unbemerkt von der Öffentlichkeit umgesetzt wurde, was jedem Gedanken an Transparenz und Demokratie direkt entgegenläuft. Wie sich die Gesetzesänderung im Endeffekt auswirkt, wird man beobachten müssen. Eine berechtigte Angst ist natürlich, dass es sich hier nur um den ersten Schritt einer unheiligen Allianz zwischen Staat, Banken und Behörden handelt, die den Bürger durchleuchten und beobachten kann, wie es ihr Gefällt.
Bildquelle: Vielen Dank an marconst für das Bild (marconst/www.pixabay.de)
Redakteur: Stephan Gert
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4 Antworten
Es wäre intelligent, wenn in einem Artikel, in dem ein Datum genannt wird, auch das Jahr mit angegeben wäre.
Ein Datum ist kein Datum, wenn das Jahr fehlt !
Der Artikel hier ist schon älter und ich lese ihn erst jetzt (2020-11-21) und kann nur vermuten,
dass 2017 gemeint war.
Danke für den Kommentar,
wir haben das nachgebessert.
Beste Grüße
die Redaktion
Es wird Paragraph geschrieben und nicht Paragraf 😉
Guten Morgen Der Eine,
lieben Dank für den Hinweis. Es sind beide Schreibweisen möglich und die Variante mit „F“ wird vom Duden als empfohlene Schreibung angegeben.
Einen guten Rutsch ins neue Jahr!